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Verschluss als Rezidivprophylaxe bei Schlaganfallpatienten?

Die Anzahl der Strokes, die durch ein offenes Foramen Ovale ausgelöst werden, ist insgesamt klein. Etwas höher, wenngleich noch immer moderat, ist sie bei kryptogenen ischämischen Insulten. Hilft ein PFO-Verschluss?

Zwischen 20 und 25% der gesunden Bevölkerung weist ein offenes Foramen Ovale (PFO) auf, wobei es sich lediglich bei 2% symptomatisch äussert. Obwohl die Anzahl durch PFO verursachter Schlaganfälle insgesamt gering ist, verfügen vor allem jüngere Schlaganfall­patienten (<55 Jahre) über ein erhöhtes Risiko für einen kryptogenen ischämischen Insult bei Vorhandensein eines PFO. Es wird vermutet, dass PFO-getriggerte Strokes durch paradoxe Embolien verursacht werden. Dabei gelangen Thromben aus dem venösen in das arterielle Gefässsystem. Die Diagnose erfolgt nach dem Ausschlussprinzip. Als bildgebendes Verfahren kommt bei Verdacht die transösophageale Echokardiografie zum Einsatz.

Harmlos oder pathogen?

Gemäss einer Metastudie liegt die Wahrscheinlichkeit für ein pathogenes PFO bei durchschnittlich 67% aller PFO-Betroffenen. Jüngere Patienten haben dabei ein höheres Risiko als ältere (Abb. 1). Charakteristisch für ein pathogenes PFO sind ein erhöhter Rechts-Links-Shunt und ein Atriumseptumaneurysma. Geringe kardiovaskuläre Risikofaktoren kombiniert mit jüngerem Alter deuten ebenfalls auf ein pathogenes PFO hin. Klinische Hinweise können sich auch aus dem Kontext ergeben, so zum Beispiel aus Umständen, die auf eine paradoxe Embolie hindeuten: neurologische Symptome beim Aufwachen, Migräne, Phlebothrombose oder pulmonale Embolie, Schlafapnoe oder vorausgehendes Valsalva-Manöver. Aufgrund dieser schwierigen Diagnostik, die der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleicht, ist eine enge Kooperation zwischen dem Neurologen und dem Kardiologen zentral.

Rezidivrisiko

Grundsätzlich ist das Rezidivrisiko von Stroke-Patienten mit PFO individuell sehr unterschiedlich und daher schwer vorauszusagen. Begünstigend für das Auftreten eines erneuten Schlaganfalls sind ein höheres Alter, ein Septumaneurysma, die Verwendung von Aspirin anstelle oraler Antikoagulanzien, Gerinnungsstörungen und der Durchmesser des PFO.

Stroke-Patienten mit PFO können aktuell mit Thrombozytenfunktionshemmern (TFH), Antikoagulation oder einem PFO-Verschluss behandelt werden, wobei ein Verschluss eine medikamentöse Langzeitbetreuung nicht ausschliesst. Doch welcher Weg ist der beste – und für wen?

Schirmchen!

Ob ein interventioneller Okkluder-Verschluss im Vergleich zu einer rein medikamentösen Therapie das Rezidivrisiko bei Stroke-Patienten mit PFO verringert, ist Gegenstand zahlreicher Studien.

Drei ältere RCTs – CLOSURE-I (2012), PC-Trial (2013) und RESPECT (2013) – zeigten hinsichtlich ihrer primären Endpunkte und über einen relativ geringen Nachbeobachtungszeitraum hinweg keinen Vorteil eines Okkluder-Verschlusses. Allerdings wies der Interventionsarm jeweils eine geringere Ereignisrate auf als die medikamentös behandelte Kontrollgruppe. In der Per-Protokoll-Analyse der RESPECT-Studie war die Ereignisreduktion in der Interventionsgruppe signifikant.

Inzwischen konnten drei neuere Studien die Wirksamkeit eines Okkluder-Verschlusses bezüglich Rezidivrisiko bei Patienten (<60 Jahre) mit kryptogenem Schlaganfall nachweisen. «Match-entscheidend» war hierbei der längere Follow-Up, der Einschluss von Hochrisiko-PFOs (grosses Shuntvolumen, Atriumseptumaneurysma), der Ausschluss von Patienten mit transitorischen ischämischen Attacken sowie lakunärem Hirninfarkt, eine geringere Last an kardiovaskulären Risikofaktoren und die Verwendung von Devices der zweiten Generation («double disk devices»).

Die dreiarmige CLOSE-Studie (2017) untersuchte bei Patienten (16–60 Jahre) mit PFO und kryptogenem Schlaganfall den Therapieeffekt von PFO-Verschluss vs. Antikoagulation vs. Behandlung mit TFH. Im Verhältnis 1:1:1 wurden 663 Patienten in drei Gruppen randomisiert und entweder mit PFO-Verschluss + TFH, mit TFH als Monotherapie oder einer oralen Antikoagulation behandelt. Primärer Endpunkt war ein Schlaganfall. Im Beobachtungszeitraum von 5,3 Jahren trat in der Okkluder-Gruppe kein Schlaganfall auf, in der TFH-Gruppe kam es hingegen zu 14 Fällen (HR 0,03; 95% KI 0–0,26; p=0,001). Im Vergleich Antikoagulation vs. TFH kam es zu drei vs. sieben Schlaganfällen. Somit zeigten sich zwischen Antikoagulation und TFH-Therapie keine signifikanten Unterschiede, während sich die Okkluder-Therapie insgesamt als überlegen erwies.

REDUCE (2018) verglich in 664 Patienten den Therapieerfolg eines PFO-Verschlusses + TFH mit alleiniger TFH-Therapie über einen Beobachtungszeitraum von 3,2 Jahren. Erneute ischämische Insulte traten bei 6/441 Patienten in der Okkluder-Gruppe gegenüber 12/223 Patienten in der TFH-Gruppe auf, was einer HR von 0,23 entspricht (95% KI 0,09–0,62; p=0,002). Neue stumme Infarkte waren in beiden Gruppen etwa gleich häufig.

Auch DEFENSE-PFO (2018, n=60) wies auf den Nutzen eines Okkluders hin: Der ­primäre Endpunkt war nach zweijährigem Follow-Up bei sechs Patienten im medikamentösen Arm erreicht, trat bei der Interventionsgruppe hingegen nicht auf. Optimistisch stimmen auch die Langzeitergebnisse der RESPECT-Studie, deren Resultate nach einem Beobachtungszeitraum von sechs Jahren 2017 veröffentlicht wurden.

Alle Ergebnisse zusammengenommen, zeigt sich eine relative Reduktion der Schlaganfallrezidivrate um rund 75%, wenn ein PFO-Verschluss erfolgt. Dies betrifft aber nur Patienten, die unter sechzig Jahre alt sind und einen mittelgrossen bis grossen Rechts-Links-Shunt aufweisen. Inwiefern auch Patienten >60 von einem Verschluss profitieren, ist aufgrund fehlender Daten bislang ungeklärt.

An der Schnittstelle zwischen Neurologie und Kardiologie

Auf Basis dieser Erkenntnisse haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) eine neue Leitlinie erstellt [1]. Sie richtet sich sowohl an Neurologen als auch an Kardiologen. Die wichtigsten Empfehlungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Nebenwirkung

Das Okkluder-Verfahren gilt als sicher. Komplikationen während der Operation treten in 2,6% der Fälle auf, die Langzeitmortalität oder das Risiko für eine Herzoperation beträgt <0,1%. Die häufigste Spätkomplikation ist mit 1–2% eine Device-Thrombose. Zu atrialen Arrhythmien kommt es bei 0,5–15%, zumeist während der ersten 45 Tage nach der Operation (selbstlimitierend). Gefährlich, aber mit 0,5–1% nicht häufig, sind Perikardergüsse und Herztamponade. Bei etwa 10–15% verbleibt der Shunt. Diesbezüglich die besten Ergebnisse lieferte in Studien der AMPLATZER®-Okkluder (PC-Trial, RESPECT, DEFENSE-PRO). Empfohlen werden ausserdem GORE® HELEX (REDUCE) und GORE® CARDIOFORM (REDUCE).

Aktuell existieren keine Studien, die auf das postoperative Management fokussieren. Gemäss der vorliegenden Daten empfiehlt sich aber eine duale TFH-Therapie für 1–6 Monate nach Verschluss. Eine einfache TFH-Behandlung sollte über einen Zeitraum von fünf Jahren weiter erfolgen, um das Risiko für eine Device-Thrombose zu minimieren. Des Weiteren sollte bei einem geplanten invasiven Verfahren binnen der ersten sechs Monate nach PFO-Verschluss eine antibiotische Prophylaxe in Betracht gezogen werden.

Literatur

  1. Diener HC, et al.: Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale. S2e-Leitlinie, 2018. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hg.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien, letzter Abruf 12.03.2019.

Barbara Hug

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