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Viele wissen gar nicht, dass sie am Glaukom erkrankt sind

Es gibt einen Bedarf an verbesserter Information und Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Erkrankung. In industrialisierten Ländern wird die Quote undiagnostizierter Fälle auf rund 50% beziffert. Bezüglich Therapie ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Augenarzt und dem Hausarzt wichtig.

Das Glaukom ist eine potenziell zur Erblindung führende, chronisch verlaufende Augenerkrankung, die seit langer Zeit bekannt ist. Interessant und nicht allen bekannt ist der geschichtliche Hintergrund der Nomenklatur: Bereits die alten Griechen stellten fest, dass gewisse erblindete Patienten eine auffallende Farbe ihres Pupillenreflexes zeigten. Die Übersetzung des griechischen Wortes «Glaukos» lautet «grau-bläulich-grünlich». Die genaue Anatomie des Auges und die Pathophysiologie waren noch nicht bekannt. Im 8. Jahrhundert nach Christus wurde der Begriff des «Grauen Stars» für Linsentrübungen geprägt, aber immer noch war der genaue Mechanismus der Erblindung unklar. Erst durch die Erfindung des Augenspiegels und der damit möglichen Beurteilung des Augenhintergrundes und des Sehnervs konnten die Entitäten Katarakt und Glaukom getrennt werden.

Der in der deutschen Sprache verwendete Begriff des «Grünen Stars» wurde hingegen erst im 18. Jahrhundert geprägt. Es wurde damals angenommen, dass sich die «Säfte» im Auge farblich verändern können und beim Glaukom eine grünliche Farbe annehmen würden. Die genaue Herkunft des Begriffes ist jedoch nicht bekannt. Die Krankheit kann sich in jedem Lebensalter manifestieren, ihre Häufigkeit nimmt allerdings mit zunehmendem Alter deutlich zu. Es wird angenommen, dass in der Schweiz 2,5% aller über 40-jährigen Personen an einem Glaukom leiden, wobei bemerkenswert ist, dass mehr als die Hälfte der betroffenen Patienten von ihrer Erkrankung nichts wissen [1].

In 2004 war das Glaukom der häufigste Grund einer irreversiblen Erblindung [2] und der Katarakt der häufigste Grund einer reversiblen Erblindung. Die senile Makuladegeneration führt ebenfalls zu einer irreversiblen Erblindung. In den letzten Jahren hat die Zahl der an einer Makuladegeneration erblindeten Patienten wegen der steigenden Lebenserwartung stark zugenommen und in gewissen Ländern die Führungsposition der Erblindungsursachen übernommen.

Pathophysiologie

Der Augapfel ist vereinfacht ausgedrückt ein kugeliges Gebilde, welches von einer festen Hülle umgeben ist. Entsprechend besteht ein für jedes Auge variabler Innendruck, der für die Homöostase wichtig ist. Dieser Innendruck wird gesteuert durch das Verhältnis der Kammerwasserproduktion und des Kammerwasserabflusses. Beim Glaukom kommt es zu einem Missverhältnis dieser beiden Komponenten, wobei sehr häufig der Abfluss im Kammerwinkel beeinträchtigt ist. Steigt der Augeninnendruck über den für das betreffende Auge tolerablen Druck an, kommt es zu einer progressiven Schädigung der schwächsten Stelle, des Sehnervs. Die zunehmende Sehnervenschädigung führt zu einer progressiven Beeinträchtigung des Gesichtsfeldes. Wichtig ist die Betonung der Tatsache, dass der optimal tolerable Innendruck für jedes Auge unterschiedlich ist; es kann sich auch bei einem normal-tiefen Innendruck ein progressives Glaukom entwickeln. In den aktuellen Definitionen des Glaukoms wird deshalb der Innendruck als Hauptfaktor der Sehnervenschädigung weggelassen und den anderen Risikofaktoren gleichgestellt [3]. Diese Risikofaktoren werden in dem Abschnitt zur Diagnostik noch genauer beschrieben.

Einteilung

Die Einteilung der Glaukome kann entweder nach ihrer Struktur oder nach ihrer Ätiologie erfolgen. Strukturell unterscheiden wir folgende Formen:

  • Offenwinkelglaukome (zirka 90%) zeigen einen durchwegs offenen Kammerwinkel. Die Abflussbehinderung des Kammerwassers befindet sich hauptsächlich auf der Stufe des Trabekelwerkes und im Übergang zu den episkleralen Venen und führt zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Erhöhung des Augeninnendrucks. Eine Untergruppe sind Patienten mit einem sogenannten Normaldruckglaukom, bei welchen der Augeninnendruck immer im Normbereich liegt, aber der Sehnerv Zeichen zunehmender Schädigung zeigt.
  • Winkelblockglaukome (zirka 5%) zeigen einen mehr oder weniger verschlossenen Kammerwinkel. Patienten mit einer sogenannten Engwinkelsituation müssen über die Befunde informiert werden, da es unter gewissen Bedingungen zu einem raschen Augendruckanstieg kommen kann. Dieser rasche Augendruckanstieg ist eine augenärztliche Notfallsituation: Der akute Glaukomanfall ist sehr schmerzhaft und führt neben einer okulären Symptomatik auch zu einer ausgeprägten Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes.

Bei einer Einteilung nach Ätiologie unterscheiden wir zwei Formen:

  • Bei den primären Glaukomen (zirka 95%) ist das Glaukom die Haupterkrankung des Auges.
  • Bei den sekundären Glaukomen (zirka 5%) liegt eine andere Augenerkrankung vor und das Glaukom ist eine Folgeerkrankung.

Die angeborenen Glaukome stellen eine Untergruppe dar und gehören mehrheitlich den primären Glaukomen an.

Diagnostik

Der Augenarzt nimmt eine Anamnese auf, um das Risikoprofil festzulegen. Als Risikofaktoren unterscheiden wir folgende Gruppen [4]:

  • Familiäre Risikofaktoren, insbesondere ein Glaukom in der nächsten Verwandtschaft (Eltern, Geschwister und Grosseltern)
  • Persönliche Risikofaktoren: Alter, Ethnizität und Geschlecht sind gegebene Faktoren. Teilweise beeinflussbar sind vaskuläre Risikofaktoren, wobei insbesondere die (vor allem nächtliche) systemische Hypotonie erfasst werden muss. Beachtenswert sind starke Blutdruckschwankungen, welche im Rahmen einer 24-Stunden-Blutdruckmessung erfasst werden können. Patienten mit einem sogenannten Normaldruckglaukom zeigen häufig vaskuläre Dysregulationszeichen mit kalten Akren, Raynaud-Symptomatik, Migräne und manchmal systemischer Hypotonie. Der Einfluss von systemischer Hypertonie und Diabetes mellitus ist immer noch umstritten. Wichtig ist die Medikamentenanamnese: Die Anticholinergika können bei Patienten mit einer Engwinkelsituation zu einem akuten Glaukomanfall führen. Kortisonhaltige Präparate (auch in Salben oder in Injektionsform) führen in einem Drittel der Patienten zu einer Erhöhung des Augeninnendrucks. Der Mechanismus beruht auf einer Erhöhung des Abflusswiderstandes im Kammerwinkel, wobei dafür mehrere Theorien diskutiert werden und vermutlich ein genetischer Defekt vorliegt («Steroidresponder») [5].
  • Okuläre Risikofaktoren: Der wichtigste Risikofaktor ist ein erhöhter Augeninnendruck, wobei wie bereits erwähnt jedes Auge seinen maximal tolerablen Augeninnendruck hat. Weitere Risikofaktoren sind höhere Refraktionsanomalien (Hy­­per­opie­ und Myopie), eine dünne Hornhaut (Norm: 500–600 Mikrometer), intraokuläre Blutungen (vor allem im Bereich des Sehnervenkopfes) und Ablagerungen im Auge wie Pigmentdispersion und Pseudoexfoliation, welche den Abfluss im Kammerwinkel blockieren können.

Bei der Untersuchung werden die Refraktion und die Sehschärfe der Augen bestimmt, um Anhaltspunkte über die Sehleistung zu bekommen. Die Morphologie der Augen wird zur Feststellung eventueller Risikofaktoren an der Spaltlampe mittels einer ungefähr 10–16-fachen Vergrösserung beurteilt. Die Augendruckmessung erfolgt normalerweise mittels Applanationstonometrie nach Goldmann (GAT), welche immer noch dem Goldstandard entspricht [6].

Der optimale Augeninnendruck bewegt sich im Bereich von 8–21 mm Hg. Dies ist ein statistischer Wert, ausgehend von einem Durchschnittswert von 15 mm Hg und der üblichen Standardabweichung.

Besteht der Verdacht eines Glaukoms, werden Zusatzuntersuchungen angeordnet (Abb. 1):

  • Die Bestimmung des Gesichtsfeldes
  • Die morphologische Darstellung des Sehnervs
  • Die Darstellung des Kammerwinkels mittels eines Kontaktglases
  • Augendruckmessungen mittels verschiedener Messgeräte und Bestimmung der Hornhautdicke.

Das Gesichtsfeld wird mittels der automatischen Perimetrie bestimmt. Bei dieser Untersuchung werden dem Patienten monokular Lichtreize verschiedener Grösse und Intensität innerhalb des normalen Gesichtsfeldes präsentiert. Der Sehnerv sollte dreidimensional ausgemessen werden, wozu heute meistens eine mittels Laser gesteuerte Okuläre Kohärenz-Tomografie (OCT) verwendet wird (Abb. 2). Mit dieser Untersuchung lassen sich Nervengewebsschichten genau darstellen und mit einer normierten Datenbank vergleichen. Häufig werden noch Farbfotografien angefertigt, da diese auch nach vielen Jahren noch als Vergleich herangezogen werden können, was bei den häufig wechselnden OCT -Geräten leider oft nicht möglich ist (Abb. 3).

Wichtig ist die Untersuchung des Kammerwinkels mittels eines Kontaktglases. Die Morphologie des Kammerwinkels gibt Auskunft über die Art eines vorhandenen Glaukoms und ist wichtig für die Bestimmung einer Therapie. Die Untersuchung mittels Kontaktglas ist nicht-invasiv und für den Patienten schmerzfrei.

In den letzten Jahren wurden mehrere neuere Augendruckmessgeräte entwickelt, da Studien gezeigt hatten, dass die Messung nach GAT bei gewissen Patienten nicht den wahren Innendruck ergab (insbesondere bei sehr dünner Hornhaut, beim Vorliegen von krankhaften Hornhautveränderungen oder nach Korrekturbehandlung mittels Laser). Sowohl diese Messgeräte als auch die Bestimmung der Hornhautdicke werden als Ergänzung zur Messung nach GAT herbeigezogen.

Alle oben erwähnten Untersuchungen sind unablässig für die Diagnosestellung. Wir unterscheiden zwischen einem Normalbefund, einem glaukomverdächtigen Befund und einen eindeutig krankhaften Befund.

Wichtig ist die genaue Information des Patienten: Bei einem normalen Augenbefund wird eine Kontrolle empfohlen und der Patient darüber informiert, dass sich das Auge im Verlauf des Lebens verändern kann und gewisse Erkrankungen erst im höheren Alter auftreten können. Es ist zwingend, dem Patienten gewisse Richtlinien für den Kontrollabstand mitzugeben. Dieser ist abhängig vom Alter, von der Anamnese, den lokalen Befunden und den Risikofaktoren.
Bei einem glaukomverdächtigen Befund ist die Information des Patienten zwingend: Ein im Moment grenzwertiger Befund kann sich in kurzer Zeit als ein Glaukom herausstellen. Ein glaukomverdächtiger Patient hat per Definition (American Academy of Ophthalmology und Europäische Glaukomgesellschaft) einen oder mehrere der folgenden Befunde:

  • Der Sehnervenkopf ist glaukomverdächtig
  • Das Gesichtsfeld ist glaukomverdächtig
  • Der Augendruck ist höher als 21 mm Hg (wobei es wichtig ist, den Augendruck zu verschiedenen Tageszeiten zu messen, um die höchsten Werte bestimmen zu können)

Generelle Bemerkung: Jede auffällige Untersuchung muss zuerst zur Sicherheit wiederholt werden. Zeigt sich in der Wiederholung wirklich eine Pathologie, kann ein Übergang in eine Glaukomerkrankung vorliegen.

Therapie

Wir müssen uns bewusst sein, dass der Patient die Glaukomerkrankung wenigstens zu Beginn kaum realisiert und dass jede Therapie sowohl eine Wirkung als auch häufig Nebenwirkungen hat.

Die Richtlinien der Europäischen Glaukomgesellschaft bestimmen, dass jede Therapie folgende drei Hauptpunkte erfüllen muss: Sie muss sowohl effektiv und kostengünstig sein als auch möglichst wenige Nebenwirkungen verursachen [3].

Im Moment ist die Senkung des Augeninnendruckes die einzige Therapie, welche eine Progression der Erkrankung verringern kann. Selbstverständlich müssen die anderen oben erwähnten Risikofaktoren geprüft und falls möglich vermindert werden. Interessant wäre die Beeinflussung und der Schutz des Sehnervs selbst, die sogenannte Neuroprotektion. Bisherige medikamentöse Studien waren aber leider wenig erfolgversprechend.

Welche Möglichkeiten haben wir, den Augeninnendruck zu senken? Es gibt eigentlich nur zwei Optionen:

  1. Reduktion der Kammerwasserproduktion
  2. Verbesserung des Kammerwasserabflusses

Reduktion der Kammerwasserproduktion: Das Kammerwasser wird im Ziliarkörper produziert, zirkuliert in der hinteren und vorderen Augenkammer und verlässt das Auge durch den Kammerwinkel in den vaskulären Kreislauf. Die Produktion des Kammerwassers kann durch Betablocker (BB), Alphaagonisten (AA) und Carboanhydraseinhibitoren (CAI) reduziert werden. Der Betablocker Timolol wird seit 1978 in der Glaukomtherapie eingesetzt und senkt den Augeninnendruck um 20–25%. Lokal werden BB gut ertragen, sie führen aber häufig zu systemischen Nebenwirkungen wie Blutdruck- und Pulssenkung. Unserer Meinung nach sollte bei Patienten mit einer geplanten BB -Therapie das Gespräch mit dem Hausarzt gesucht werden, um zu vermeiden, dass Interferenzen mit anderen Medikamenten auftreten.

Alphaagonisten werden seit vielen Jahren eingesetzt, wobei die früher erhältlichen AA häufig zu sehr ausgeprägten lokalen und systemischen Nebenwirkungen geführt haben und deshalb nicht mehr angewendet werden. Heute wird am häufigsten Brimonidin eingesetzt, welches den Augeninnendruck um 20–25% senkt, aber ebenfalls zu lokalen (Hyperämie) und systemischen (vaskulären und cerebralen) Nebenwirkungen führen kann.

Carboanhydraseinhibitoren sind in systemischer Form seit den frühen 1950er-Jahren in der Glaukomtherapie gebräuchlich und werden seit 1994 auch lokal angewendet. Sie führen teils zu gravierenden systemischen Nebenwirkungen, insbesondere bei einer vorhandenen Sulfonamid-Überempfindlichkeit. Sowohl Alphaagonisten als auch Carboanhydraseinhibitoren werden teils in Kombination mit Betablockern angewendet, um eine bessere Augendrucksenkung zu erreichen.

Verbesserung des Kammerwasserabflusses: Das Kammerwasser verlässt das Auge auf zwei Wegen: Dem konventionellen oder trabekulären Abfluss und deutlich weniger häufig dem unkonventionellen oder uveo­skleralen Abfluss. Der letztgenannte entspricht bei den Kindern einem Anteil von 25–55% und nimmt im Alter zunehmend ab. Eine Abnahme des Kammerwasserabflusses führt zu einem Rückstau im Auge und anschliessend zu einer zunehmenden Erhöhung des intraokulären Druckes. Neuere Studien haben gezeigt, dass die entscheidende Erhöhung der Abflussresistenz mehrheitlich im Bereich des iuxtakanalikulären Trabekelmaschenwerks und im Bereich der inneren Wand des Schlemm’schen Kanals liegt.

Die wichtigsten Medikamente, welche für die Verbesserung des Kammerwasserabflusses eingesetzt werden, sind die lokalen Prostaglandinagonisten. Sie wurden in der Mitte der 1990er-Jahre erstmalig in der Glaukomtherapie eingesetzt und übernahmen nach kürzester Zeit die führende Position der antiglaukomatösen Medikamente. Das erste Produkt war Latanoprost, gefolgt von mehreren ähnlichen Medikamenten. Die Wirkung (eine zirka 25%-Augendrucksenkung) hält 24 Stunden an, sodass die Adhärenz der Patienten besser ist. Die Prostaglandinagonisten zeigen praktisch keine systemischen Nebenwirkungen, die lokalen Nebenwirkungen hingegen könnten beträchtlich sein: Wimpernwachstum, zunehmende Irispigmentation, Hyperämie der Konjunktiven, aber auch eine dunklere periorbitale Hautverfärbung und eine Atrophie des orbitalen Fettgewebes.

In einigen Ländern (noch nicht in Europa) sind zwei neue Substanzgruppen in der Glaukomtherapie zugelassen: Die Rhokinaseinhibitoren und das Latanoprost Bunod. Beide Medikamente verbessern den Kammerwasserabfluss und müssen ebenfalls nur einmal täglich angewendet werden.

Es ist uns wichtig, kurz auf die Problematik der immer häufiger verwendeten Generika einzugehen. Per Definition sollte der Inhalt der Generika identisch sein mit den Originalpräparaten. Augentropfen unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten von systemisch angewendeten Medikamenten:

  • Wir können die Konzentration der aktiven Substanz im Augentropfen zwar bestimmen, die Bioverfügbarkeit der Substanz am Auge selbst ist aber nicht messbar.
  • Nur die aktive Substanz der Generika muss identisch sein zum Originalpräparat, alle Hilfsprodukte können variieren. Da die aktive Substanz zum Beispiel bei Latanoprost nur 0,005% ausmacht, kann bei einem Generikum der grösste Teil des Tropfens verändert sein.
  • Viele Studien zeigten Unterschiede zwischen Originalpräparat und Generikum in Bezug auf Grösse und Viskosität des Tropfens, Beschaffenheit der Tropfenflasche, Öffnung der Tropfenflasche und Konservierungsmittel [7].

Deswegen entspricht unseres Erachtens der Wechsel auf ein Generikum der Anwendung eines neuen Medikaments und erfordert häufigere Kontrollen zu Beginn.
Problematisch ist der häufige Wechsel zu immer billigeren Generika durch die Apotheken, was dazu führen kann, dass weder der Patient noch der Arzt weiss, welches Medikament er im Moment anwendet. Eine Diskussion mit dem Patienten lohnt sich, um ihn auf die Unterschiede zwischen Originalpräparaten und Generika hinzuweisen.

Es ist nicht einfach, eine antiglaukomatöse Therapie zu finden, welche die Progression der Erkrankung verringert, wenig Nebenwirkungen hat und regel­mässig angewendet wird. Die Adhärenz und Persistenz sind beim Glaukom, wie bei anderen chronischen Krankheiten, nicht sehr gut. Viele Studien haben gezeigt, dass die Adhärenz zur verschriebenen Therapie bei 30–70% liegt und dass nach einem Jahr nur noch 10% der Patienten die verordneten Augentropfen wieder nachbestellen [8].

Die Gründe für die schlechte Adhärenz sind vielfältig, wir müssen uns aber bewusst sein, dass wir eine Therapie verschreiben, welche extrem zuverlässig und regelmässig angewendet werden muss, aber auch häufig Nebenwirkungen hat. Dies ist vor allem bei Patienten in frühen Glaukomstadien problematisch, da sie von der Krankheit selbst noch kaum etwas bemerken. Newman Casey fasste in einer Studie die häufigsten Gründe einer fehlenden Adhärenz zusammen: Mühe mit der Tropfenapplikation, Mühe mit der Integration der Tropfen­applikation in den Tagesablauf und Nebenwirkungen der Tropfen [9]. Die Nebenwirkungen sind dabei nicht zu unterschätzen. Studien haben gezeigt, dass zwei Drittel der Glaukompatienten unter Neben­wirkungen ihrer Therapie leiden [10]. Es sind sowohl lokale Nebenwirkungen der Medikamente als auch Spätfolgen am Auge und insbesondere an der Augenoberfläche, welche den Patienten stören. Zeigt ein Patient Nebenwirkungen seiner Therapie, lohnt sich ein Therapiewechsel, möglicherweise auch von einem Prostaglandinderivat auf ein anderes Derivat. Bei jüngeren Patienten, Patienten mit mehreren Medikamenten und Patienten mit bereits vorhandenen Störungen der Augenoberfläche («Sicca-­Syndrom») lohnt sich ein Versuch mit konservierungsmittelfreien Augentropfen. Konservierungsmittel, insbesondere Benzalkoniumchlorid, können zu einer Verstärkung der Augenoberflächenprobleme führen. Da die konservierungsmittelfreien Augentropfen jedoch häufig in Einzeldosen verpackt sind, kann es bei Patienten mit einer schlechten Sehschärfe oder mit rheumatischen Veränderungen in den Händen zu Schwierigkeiten in der Applikation kommen [11].

Neben antiglaukomatös wirkenden Medikamenten kann der Augendruck mittels chirurgischer Massnahmen gesenkt werden. Der erste chirurgische Eingriff beim Glaukom wurde 1856 durchgeführt (Iridektomie durch Von Graefe), in letzter Zeit hat sich das operative Spektrum durch Einführung der mikroinvasiven Glaukomchirurgie (MIGS) deutlich vergrössert. Weniger invasiv sind verschiedene Lasertechniken, welche sowohl die Kammerwasserproduktion verringern als auch den Kammerwasserabfluss verbessern können.
Vor allem bei jungen Patienten mit einem fortgeschrittenen Glaukom oder Patienten mit Unverträglichkeit lokaler Therapie (meist Augenoberflächenprobleme) wird ein operativer Eingriff in Erwägung gezogen.

Ausblick in die Zukunft

Die Tatsache, dass immer noch viele Patienten am Glaukom erblinden, ist erschreckend, da die Krankheit, wenn sie rechtzeitig erfasst und richtig behandelt wird, in der Progression eindeutig beeinflusst werden kann. Woran müssen wir arbeiten?

Es wissen immer noch mindestens 50% der Pa­tienten nicht, dass sie an dieser Erkrankung leiden. Deshalb ist eine genau Aufklärung der Bevölkerung zwingend, um durch Evaluation der Patienten und deren Risikofaktoren diejenigen zu erfassen, welche an einem rasch progedienten Glaukom leiden.
Wird bei einem Glaukompatienten eine Therapie begonnen, ist speziell der Aspekt der Adhärenz mit dem Patienten zu besprechen: Ein in Tropfenform appliziertes Medikament wirkt nur, wenn der Tropfen appliziert wird!

Regelmässige Kontrollen des Sehnervs und dessen Funktion sind zwingend; der Augendruck muss kontrolliert und die Therapie entsprechend angepasst werden. Ein Patient mit Glaukomdiagnose wird in der Regel 2–3× pro Jahr beim Augenarzt kontrolliert. Neuere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen und eventuell anderer Applikationsart (zum Beispiel Punctum-Plugs mit Slow-Release-Form oder mittels Injektion ins Auge selbst) können zu einer besseren Adhärenz und damit besseren Einstellung des Glaukoms führen.

Wichtig sind die Alternativen zur medikamentösen Therapie: Mittels Lasertherapie kann der Abfluss des Kammerwassers verbessert werden; daneben zeigt die chirurgische Therapie viele neue Ansätze, es werden zunehmend sogenannte «mikroinvasive» Eingriffe durchgeführt, bei denen teils Stents eingelegt werden.

Wichtig ist und wird auch in Zukunft der Patient selbst sein: Er muss über die Erkrankung genau informiert und in die Therapie seiner Erkrankung einbezogen werden.

Take-Home-Messages

  • Trotz verbesserten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen führt das Glaukom bei vielen Patienten immer noch zur Einschränkung der Lebensqualität und manchmal zur Erblindung. Die Zahl der erkrankten Patienten, welche nichts von ihrer Erkrankung wissen, liegt sogar in den industrialisierten Ländern bei 50% und bedarf einer erhöhten Information der Öffentlichkeit über diese Erkrankung.
  • Der Arzt sollte bei allen Erwachsenen eine genaue Anamnese erheben, um die Risikofaktoren für die Entstehung eines Glaukoms (familiär, systemisch und okulär) zu erfassen. Ab dem 40. Lebensjahr ist eine Vorsorgeunter­suchung beim Augenarzt notwendig, die teilweise von Optikern durchgeführten sogenannten «Vorsorgeuntersuchungen» genügen in keiner Weise.
  • Die bisher einzige Therapie des Glaukoms besteht in der Therapie des wichtigsten Risikofaktors, des erhöhten Augendruckes. Diese Therapie erfolgt mehrheitlich mit lokalen, den Augendruck senkenden Medikamenten; mit der Zunahme operativer Möglichkeiten wird in Zukunft vermutlich häufiger direkt eine operative Therapie angewandt werden.
  • Bei allen therapeutischen Massnahmen ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Augenarzt und dem Hausarzt wichtig.

Literatur:

  1. Quigley HA, West SK, Rodriguez J, et al.: The prevalence of glaucoma in a populationbased study of Hispanic subjects: Proyecto VER. Arch Ophthalmol 2001; 119: 1819–1826.
  2. Bulletin of the World Health Organization, Nov 2004; 82 (11).
  3. EGS Guidelines Edition 2014.
  4. Leske CM et al. For the Early Manifest Glaucoma Trial Group. Arch Ophthalmol. 2003;121(1): 48–56.
  5. Kersey JP, Broadway DC: Corticosteroid-induced glaucoma: a review of the literature. Eye 2006; 20: 407–416.
  6. Goldmann H, Schmidt T: Über Applanationstonometrie. Ophthalmologica 1957; 134: 221–242.
  7. Genazzani AA, Pattarino F: Difficulties in the production of identical drug productfrom a pharmaceutical technology viewpoint. Drugs RD 2008; 9(2): 65–72.
  8. Friedman DS, Quigley HA et al. Using pharmacy claims data to study adherence to glaucoma medications: methodology and findings of the Glaucoma Adherence and Persistency Study (GAPS). Invest Ophthalmol Vis Sci. 2007 Nov; 48(11): 5052–5057.
  9. Newman-Casey PA, Killeen OJ, Renner M, et al.: Access to and experiences with e-health technology among glaucoma patients and their relationship with medication adherence. Telemed J E Health 2018; DOI: 10.1089/tmj.2017.0324
  10. Zimmerman JB, Hahn SR, Gelb L, et al.: The impact of ocular adverse effects in patients treated with topical prostaglandin analogs: changes in prescription patterns and patient persistence. J Ocul Pharmacol Ther: 1308–1316.
  11. Dietlein TS, Jordan JF, Lüke C, et al.: Self-application of single-use eyedrop containers in an elderly population: comparisons with standard eyedrop bottle and with younger patients. Acta Ophthalmol. 2008; 86: 856–859.

HAUSARZT PRAXIS 2019; 14(11): 6–10


Dr. med. Frances Meier-Gibbons
Dr. med. Karin Øyo-Szerenyi

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