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Sport und Arthrose

Sport kann sowohl Risiko- als auch Schutzfaktor bezüglich Entstehung und Verlauf einer Arthrose sein. Ob sich Sport positiv oder negativ auswirkt, ist abhängig von der Art und Intensität der Belastung.

Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den Industrieländern seit Beginn des 20. Jahrhunderts dank besserer Ernährung, Hygiene und Gesundheitsversorgung um fast das Doppelte gestiegen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass der menschliche Körper dadurch doppelt so lange bestmöglich funktionieren muss, wobei dies vor allem die Muskeln und die Gelenke, als mechanische Hauptelemente von Bewegungsvorgängen, betrifft. Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt die hohe Prävalenz der Arthrose, einem Krankheitsbild, das sich in rasantem Wandel befindet. Was über eine lange Zeit als eine reine Abnützungs­erscheinung der artikularen Strukturen (besonders des Knorpels) interpretiert wurde, wird heute zunehmend als komplexe entzündliche Erkrankung verstanden, welche das gesamte Gelenk inklusive angrenzender Strukturen betrifft (und sogar eine systemische Komponente haben kann).

Art und Intensität der Belastung ist entscheidend

Die ätiologischen Prozesse, welche zu Arthrose führen, sind multifaktoriell. Genetische Faktoren spielen eine Rolle, aber auch Lebensstilfaktoren. Während die genetische Prädisposition nicht beeinflussbar ist, sind Lebensstilfaktoren bis zu einem gewissen Grad gestaltbar. Körperliche Aktivität ist ein veränderlicher Lebensstilfaktor, der für Arthrose als präventive Massnahme und als Schutzfaktor, aber auch als potenzieller Risikofaktor, eine wichtige Bedeutung hat. Dabei sind vor allem die Intensität und die Art der Belastung entscheidend, ob die Auswirkungen tendenziell positiv oder eher negativ sind.

Das Ausmass der Belastung auf den Körper variiert in Abhängigkeit von der Art und Intensität der Bewegung. Während beim Gehen die Rückfussbelastung das 1,2-fache des Körpergewichtes beträgt, sind es beim gemütlichen Joggen das 2,4-fache des Körpergewichtes. Bei einer Person mit einem Körpergewicht von 70 kg bedeutet dies eine Last von 2,52 Tonnen pro 8000–10’000 Schritte (untere Grenze für eine gesundheitsbringende Wirkung) und hochgerecht auf ein Jahr eine Last von 858 480 Tonnen. Bei solchen Belastungen ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Strukturen des Bewegungsapparates zu streiken beginnen! Sind sportliche Aktivitäten also Türöffner für die Entstehung von Arthrosen?

Die Datenlage zu Sport und Arthrose ist erstaunlicherweise relativ gut und es sind einige Publikationen zu diesem Thema erschienen, die im Grossen und Ganzen alle zur selben Schlussfolgerung gelangen [1]: Sport ist zum einen Risikofaktor und zum anderen Schutzfaktor bezüglich Arthrose. Zu den Risiken gehören vor allem akute Verletzungen, die für die Entstehung einer Arthrose eindeutig einen begünstigenden Faktor darstellen. So steigt die Wahrscheinlichkeit eine Gonarthrose zu entwickeln nach einer Meniskektomie oder nach einer Operation infolge einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes exponenziell.

Hingegen gibt es keine Hinweise auf eine Erhöhung des Arthroserisikos bei Personen, die Sport in «normaler» Intensität ausüben im Vergleich zu Personen, die keinen Sport machen. Das Risiko, eine Arthrose zu entwickeln, scheint also nur bei Personen, welche ein sehr intensives Sportprogramm durchführen, höher zu sein. Dass ein wöchentliches Laufpensum von 100 km auf einer asphaltierten Strecke für die Gelenkstrukturen nicht nur positive Effekte hat, ist nachvollziehbar. Bei der individuellen Beurteilung eines möglichen Arthrose-Risikos sollte man also unbedingt die Sportart, die Trainingsintensität und das Ausmass der Gelenksbelastung kennen.

«Use it or loose it»

Im Gegensatz zur sekundären Arthrose, die meistens ursächlich zu behandeln ist, steht für die Therapie einer primären Arthrose ein breites Spektrum an Massnahmen zur Verfügung: Analgetika z.B. NSAR, Opioide, SYSADOA («Symp­to­matic Slow Acting Drugs in Osteo-Arthritis»)/DMOAD («Disease Modifying Osteo-Arthritis Drugs»), topische Medikamente, neue Substanzen (Strontiumranelat, anti-NGF, Cathepsininhibitor etc.) intraartikuläre Applikationen (Glukokortikoide, Viscosupplementation, PRP («Platelet-rich plasma»), «Chondroprotektiva» (Chondroitine, Glucosamine), Taping, biomechanische Schuhe zur Lastverteilung, Orthesen zur Reduktion der biomechanischen Gelenksbelastung, physikalische Massnahmen (Kälte, Wärme, Elektrotherapie), Patienteninformation, Gewichtsreduktion, Physiotherapie, körperliche Aktivität etc.

Im Folgenden sollen die beiden letztgenannten Möglichkeiten (Physiotherapie, körperliche Aktivität) näher betrachtet werden. Körper­liche Aktivität hat einen wichtigen Stellenwert für die Behandlung von Arthrosen. Wie für sämtliche Strukturen des Bewegungsapparates gilt auch für die bei einer Arthrose betroffenen Gelenkselemente (Knochen, Knorpel, Synovialmembran, Menisken und sogar Bänder sowie naheliegende Sehnen) «Use it or loose it»: Was nicht gefordert wird, verkümmert. Es ist wichtig, dass auch Menschen mit arthrose­bedingten Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen körperlich aktiv sind. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass ein Trainingsprogramm zur Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit auch positive Effekte hat auf arthroserelevante und psychosoziale Faktoren, sowie zu Gewichtsreduktion beitragen kann. Gewichtskontrolle ist ein Aspekt, der vor allem bezüglich Gonarthrose (Kniearthrose) eine wichtige Bedeutung hat, für Koxarthrose scheint dies weniger relevant zu sein [2]. Gemäss neuerer Erkenntnisse gibt es zudem Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und inflammatorischen Prozessen, vermittelt über Interleukine (IL6) [3].

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Sport und Arthrose sich nicht ausschliessen, sondern dass es auf die Wahl der geeigneten Aktivität ankommt. Sportarten mit harmonischen (versus brüsken) Bewegungen sind besonders gut geeignet. Bei einer Arthrose im Bereich der oberen Extremitäten sollten Schlag- und Wurfbewegungen vermieden werden. Ist hingegen die untere Extremität betroffen, sollten Impactbelastungen und Auswirkungen von starken Rotationskräften vermieden werden. Tabelle 1 enthält eine Auflistung von sportlichen Aktivitäten nach dem Kriterium des Ausmasses der Belastung für das Gelenk.

Literatur

  1. Tran G, et al.: Does sports participation (including level of performance and previous injury) increase risk of osteoarthritis? A systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 2016; 0: 1–9. doi:10.1136/bjsports-2016-096142.
  2. Reijman M, et al.: Body mass index associated with onset and progression of osteoarthritis of the knee but not of the hip: the Rotterdam Study. Ann Rheum Dis 2007; 66: 158–162.
  3. Kaur J: A comprehensive review on metabolic syndrome. Cardiol Res Pract 2014; 2014: 943162. doi: 10.1155/2014/943162.

Dr. med. Peter Jenoure

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